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Der Eberkran - das Wahrzeichen des alten Kranbaus

Ardelt Kranbau in Eberswalde

Die Geschichte über den Niedergang eines erfolgreichen Unternehmens – doch vielleicht mit Happy End?

Wer Eberswalde besucht, sieht ihn schon von weitem: der „Eberkran“, ein Kran aus den 50er Jahren, steht zentral im Park „Familiengarten“ und ist mit seiner Aussichtsplattform in schwindelnder Höhe die Attraktion des Parkes. Anfang der 90er Jahren arbeiteten in der traditionsreichen Firma noch rund 3200 Mitarbeiter. Heute, nach einem Insolvenzantrag, sind es noch ganze 36. Wie kam es dazu?

Gegründet wurde die Firma 1902 von Ingenieur Robert Ardelt in Eberswalde. Zu dieser Zeit war Eberswalde, am Finowkanal und am Oder-Havel-Kanal gelegen, eine Industriemetropole, man sprach von Eberwalde ähnlich wie vom Ruhrgebiet. Überall rauchten die Schornsteine, es gab Metallfabriken, Hufeisenwerke, chemische Fabriken, Holzverarbeitung und vieles mehr. Für die Ardelt-Mitarbeiter entstanden Werkswohnungen, das Geschäft lief. Ardelt wurde nach und nach zum Weltmarktführer für Balancerkrane, Containerbrücken, Drehkrane, Portalkrane und Verladebrücken. Im Zweiten Weltkrieg fungierten die Eberswalder Industriebetriebe, auch Ardelt Kranbau, als Rüstungsproduzenten.

Alte Kranbauhalle
Alte Kranbauhalle

 

Während des 2. Weltkrieges war Eberswalde eine wichtige Waffenschmiede für die Nationalsozialisten. Und die Kassen der Ardelt-Werke klingelten: 1944 machte man dort mehr als 100 Millionen Reichsmark Umsatz, 80% davon mit Rüstungsgütern. 1945 arbeiteten mehr als 11.000 Mitarbeiter bei den Ardelt-Werken. Allein in Eberswalde leisteten allerdings mehr als 3000 Zwangsarbeiter Schwerstarbeit und hausten in prekären Bedingungen. Eine Zwangsarbeiterbaracke neben dem Werk ist bis heute erhalten.

Die Ardelt-Werke während der DDR Zeit als VEB Kranbau bekannt in aller Welt

In der DDR wurden die Ardelt-Werke enteignet, und man produzierte Krane im Volkseigenen Betrieb im Kombinat TAKRAF. Sie wurden in alle Welt verkauft, von Brasilien bis Sankt Petersburg, und brachten wertvolle Devisen ins Land. Normalerweise kostet ein Kran, je nach Größe, zwischen sechs und zwölf Millionen Euro. Bis zum Mauerfall gab es weltweit rund zehn Firmen, die Krane dieser Art bauten, heute sind davon noch drei übrig.

Nach dem Mauerfall verkaufte die Treuhand die zu dieser Zeit als „Hafentechnik Eberswalde GmbH“ firmierende Firma an die Vulkan Kocks GmbH aus Bremen, die kurz darauf pleite ging. Damit war auch die Zukunft der Kranbau Eberswalde in schwierige Gewässer gekommen. Der Großstahlbau war zuvor schon aus Gründen mangelnder Auslastung und Wettbewerbsfähigkeit geschlossen worden. Wie überall in Ostdeutschland, bevölkerten auch in Eberswalde tausende arbeitslose Arbeiter die Straßen und Bierhallen, Resignation machte sich breit.

Blick auf den alten Eberkran, auch Montageeber genannt
Blick auf den alten Eberkran, auch Montageeber genannt

 

Ende der 90er Jahre waren nur noch rund 600 Mitarbeiter in der Firma beschäftigt.

„Wir haben uns von einem Serienhersteller zu einem Einzelhersteller gewandelt“, sagt Uwe Grünhagen, der heutige Geschäftsführer der Ardelt Kranbau GmbH, der immer noch auf dem alten Betriebsgelände an der Heegermühler Straße in der Mitte von Eberswalde residiert.

Warum aber brauchte man zu DDR-Zeiten dermaßen viele Mitarbeiter? Grünhagen erklärt dies mit der Fertigungstechnik. „Damals wurde fast zu 100% alles selber hergestellt, heute kaufen wir die Teile zu 80% zu“. Außerdem gab es zu DDR-Zeiten eine Betriebsfeuerwehr, einen Kindergarten, Tischler, Maler, also Berufsgruppen, die heute gar nicht mehr da sind“, berichtet Grünhagen. Die Fertigungstiefe während der DDR war enorm, und dies war staatlich auch so gewollt.

Die VEB Kranbau war einer der Vorzeigebetriebe der DDR, und stolz verließen in der Anfangszeit die fertig gebauten Krane das Werk signiert mit den Vornamen der Mitarbeiter der Konstruktionsabteilung, etwa Bernhard, Detev, Edmund oder Herbert. Der Champion dabei war „Albrecht“, ein Doppellenker mit 10 Tonnen Hubkraft und 32 Metern Ausladung. Es war der erste Serienkran für den Massenumschlag, der bei Temperaturen von minus 40 Grad bis plus 40 Grad arbeiten konnte. Die UdSSR bestellte den Albrecht in großer Stückzahl.

Jörg Müller, der seit 1984 im Kranbau in Eberswalde arbeitet, erinnert sich an die Anschaffung des ersten Siemens-Großrechners im Jahr 1985: „Damals wurden die ersten CAD-Arbeitsplätze eingerichtet, weil wir Exportförderbetrieb waren. Das war eine tolle Sache“, erzählt Müller. Gegenüber anderen Großbetrieben in der DDR wurde der Kranbau vorrangig mit Material versorgt, so dass die Arbeitsabläufe zügiger vonstatten gingen. Ins nicht-sozialistische Ausland durfte Müller damals nicht reisen, aber das war für seine Arbeit als Konstrukteur auch nicht nötig.

Den Mauerfall erlebte der Ingenieur als Zäsur: „Mit dem Mauerfall ist für uns der russische Markt zusammengebrochen, also der wichtigste Markt. Die hatten ja keine Devisen, um die Krane in DMark zu bezahlen.“

Der Kranbau heute

Heute wirkt das riesige Werksgelände in der Mitte von Eberswalde verlassen. Doch nicht alle Werkshallen stehen leer. Es gab Ausgründungen, wie etwa die Firma Bamos, die heute neben Ardelt ihren Sitz hat und Seilrollen und Seilscheiben produziert.

Alte Halle des Ardelt Kranbaus in Eberswalde als Lost Places
Alte Halle des Ardelt Kranbaus in Eberswalde als Lost Places

Ardelt Kranbau konzentriert sich heute auf das Kerngeschäft, das Engineering und die Teile, die man beim Kran selber baut. „Also auf die Teile, in denen die Intelligenz des Krans sitzt“, beschreibt es Grünhagen. Die Krane, die rund 800 Tonnen wiegen, werden längst nicht mehr als Ganzes mit dem Schiff nach Übersee transportiert, sie werden heute am Einsatzort aus den Einzelteilen zusammengesetzt. „Weil die Containerschiffe immer größer wurden, mussten entsprechend auch die Krane immer größer werden“, sagt Grünhagen.

Obwohl die Auftragsbücher von Ardelt im April letzten Jahres gut gefüllt waren, musste die Firma Insolvenz anmelden. Grünhagen: „Wir hatten einen Auftragsbestand von über 148 Millionen Euro. In den letzten 20 Jahren haben wir etwa 10 Krane pro Jahr produziert. Doch durch den Ukraine-Krieg hatten wir plötzlich eine Beschaffungskrise, und unsere Produkte verteuerten sich enorm“, beschreibt er die knifflige Lage. Bisher bezog Kocks Ardelt Kranbau 60% des Stahls aus Mariupol in der Ukraine; diese Lieferungen fielen dann plötzlich weg, und die Firma geriet in eine Liquiditätskrise. Die Beschaffungskosten explodierten, „um den Faktor fünf“, so Grünhagen.

Ein Kran besteht aus 8000 Teilen, die von 1400 Lieferanten kommen, und anhand dieser Zahl kann man sich leicht ausrechnen, wie sich die Teuerung auswirkte. Grünhagen: „Die Schere ging nicht mehr auf, weil wir die Krane zu Festpreisen verkaufen“. Der Insolvenzverwalter sagte dann aber, er wolle den Betrieb nicht schließen, sondern sanieren. Laut Grünhagen hat der Involvenzverwalter einen Großteil der Auftragsbestände fortgeführt, die Aufträge wurden unter Insolvenzbedingungen durchgeführt.

Diese Zeit hat Grünhagen als sehr dramatisch und emotional in Erinnerung, gleichzeitig betont er auch, dass die Stadt Eberswalde ihn recht gut unterstützt hat. Die größte Schwierigkeit war bei den Kran-Projekten die Finanzierung durch die Banken, da bei jedem Kranprojekt eine Bankbürgschaft erforderlich ist. Nach einem Jahr des Verhandelns machte Grünhagen dann am 1. August 2023 ein klassisches Management Buyout. Er gründete eine neue Firma, die Ardelt Kranbau GmbH und bereitet sich jetzt auf den Neustart vor. Beim Land Brandenburg hat die Ardelt Kranbau den Antrag auf eine Millionenbürgschaft gestellt.

Wenn diese bis zum Ende des Jahres bewilligt wird, dann wird die geplante Reaktivierung der Fertigung am Standort Eberswalde vollzogen, was auch die Einstellung von neuen Mitarbeitern bedeutet. „Mein Ziel ist es, aus dem Tal wieder zu alter Kraft zu kommen“, beschwört es Grünhagen. Die KPMG ist gerade dabei, das Geschäftsmodell auf Wirtschaftlichkeit zu prüfen. Grünhagen verrät auch, dass die Entscheidung des Involvenzverwalters anders hätte ausfallen können, „das lag durchaus im Bereich des Möglichen.“

Eberswalder Kräne überdauern die Firma in aller Welt

Etwa ein Drittel der 4600 Krane, die in Eberswalde produziert wurden, stehen heute noch überall in der Welt und tun ihren Dienst. Für einige übernehmen die Eberswalde den Service und Reparaturen, die Mitarbeiter müssen jedoch nicht für jede Reparatur um die Welt jetten. Grünhagen: „Die moderne Technik und die Software erlaubt es uns, bei den Kranen per Fernwartung Fehler zu beheben“. In Eberswalde hat die Kranbau noch drei Fabrikhallen, für Stahlbau, Maschinenbau, Konservierung und Elektroarbeiten.

Damit hat sich die Fläche der Kranbau auf etwa 15% der ursprünglichen Fläche im Zentrum von Eberswalde reduziert. Dazu gehört auch, dass die Lagerflächen, die man früher brauchte, um Teile auf Vorrat einzulagern, heute gar nicht mehr nötig sind. Die logistisch gute Lage am Finowkanal ist aber auch heute noch vorteilhaft: etwa 15% der Lieferungen lädt die Kranbau – über einen Eberswalder Kran! – auf Frachtschiffe auf dem Oder-Havel-Kanal, entweder in Richtung Stettin, oder in Richtung Magdeburg.

Der Rest geht, sogar Teile mit 90 Tonnen Gewicht, auf LKW mit Schwertransporten in der Nacht.  Einfacher lieferbar sind die Modellbaukräne von Ardelt, – so kostet ein Dampfkran Ardelt 57t der Firma Scheufele Modellbau 898 Euro.

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  • Beitrags-Kategorie:Eberswalde
  • Beitrag zuletzt geändert am:2. April 2025